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Thüringische Kleinstaaten (16. Jh. bis 1918/1923) - Reuß jüngerer Linie

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde das Gebiet des späteren Fürstentums Reuß j. L. noch von vier Häusern der jüngeren Linie verwaltet. Es bestanden im Einzelnen:

  • das Haus Gera (bis 1802, Besitz fällt an die Häuser Ebersdorf, Lobenstein und Schleiz, die diesen Landesteil bis 1848 gemeinsam verwalten)
  • das Haus Lobenstein (bis 1824, Besitz fällt an Ebersdorf)
  • das Haus Ebersdorf (bis 1848, Besitz fällt durch Abdankung an das noch einzig bestehende Haus Schleiz)
  • das Haus Schleiz

Die eigenständige Verwaltung der Landesteile durch die einzelnen Häuser erstreckte sich jedoch nur auf die untere und mittlere Verwaltungsebene. Bereits seit dem 17. Jahrhundert bestanden mit der gemeinschaftlichen Regierung Gera und dem Konsistorium Gera gemeinsame Oberbehörden, die verbindliche Regelungen für alle Landesteile trafen. Abstimmungen und Beschlüsse zwischen den einzelnen Häusern wurden im Umlaufverfahren getroffen, deren Umsetzung dann durch die gemeinsamen Oberbehörden bewerkstelligt wurde.

Erst 1848 wurden die Teilherrschaften der noch bestehenden Häuser Ebersdorf und Schleiz zum Fürstentum Reuß j. L. zusammengeschlossen. Das Staatsgebiet bestand aus den zwei getrennt liegenden Landessteilen Gera und Schleiz sowie aus drei Exklaven. Die Einwohnerzahl des ca. 829 km² großen Territoriums vergrößerte sich von 77.400 Einwohnern (1848) auf 144.584 (1905). Das außergewöhnlich starke Bevölkerungswachstum korrespondierte mit einem dynamischen Wachstum des Anteils der städtischen Bevölkerung. 1905 lebten allein in der Hauptstadt Gera 32 % der Einwohner. Der Anteil der in der Industrie beschäftigten Bevölkerung erreichte 68 %. Gegenüber der in Gera stark vertretenen Textilindustrie (1891 wurden in Gera 62 Textilfabriken gezählt, sowie 9.500 mechanische Webstühle und etwa 11.000 Textilarbeiter) waren Land- und Forstwirtschaft sowie Bergbau nachrangig. Weitere Industriezentren waren die Jutespinnerei und Juteweberei Triebes, die Tabak- und Zigarrenfabrikation in Gera und Lobenstein sowie die Fabrikation von Metallwaren in Schleiz. Porzellan wurde um 1900 in Gera-Untermhaus und Langenberg hergestellt.

Landständische Traditionen lassen sich in den reußischen Landen ab dem 16. Jahrhundert belegen. Die Stände bestanden aus den Herren (ab 1673 Grafen) Reuß, der Geistlichkeit, der Ritterschaft und den später hinzugekommenen Vertretern der Städte. Die Tätigkeit der unregelmäßig veranstalteten Landtage beschränkte sich hauptsächlich auf die Steuerbewilligung.

Erst in Folge der Revolution von 1848, der damit verbundenen Abdankung des Fürsten Heinrich LXXII. Reuß-Ebersdorf und dem Zusammenschluß der einzelnen Landesteile zum Fürstentum Reuß j. L. kam es im Oktober 1848 zur Einberufung eines "Beratungslandtages", der die Verabschiedung einer Landesverfassung zum Ziel hatte. Das am 30. November 1849 verabschiedete Staatsgrundgesetz wurde bereits am 14. April 1852 revidiert. Wenige Jahre später wurde das mit der Verfassung von 1852 verbundene Wahlgesetz durch das "Gesetz über die Zusammensetzung und Wahl der Landesvertretung" vom 16. Mai 1856 ersetzt. Es legte die Zahl von 13 Mandaten fest (drei Rittergutsbesitzer, ein Exklusiv-Mandat für den Besitzer des Paragiums Köstritz, sechs städtische und drei ländliche Abgeordnete). Bis auf geringfügige Änderungen der Verfassung von 1856 in den Jahren 1860, 1868 und 1893 bestand diese bis zum Ende der Monarchie fort. Durch Abdankungserklärung vom 10. November 1918 legte Fürst Heinrich XXVII. Reuß j. L. die Regierung im Fürstentum Reuß j. L. nieder. Der danach gebildete Freistaat Reuß j. L. fusionierte mit dem Freistaat Reuß ä. L. zum Volksstaat Reuß, welcher mit Wirkung vom 1. Mai 1920 im Land Thüringen aufging.
 


Wappenabbildung des Fürstentumes Reuß jüngerer Linie / Quelle: LaTh - StA Greiz, Entwurf H. Rüster nach einer älteren Vorlage (Alle Rechte vorbehalten.)